Aloe vera sei ihre „Freundin fürs Leben“, schreibt Angelheart4 in einem Onlineforum. Dank der Pflanze habe sie weniger Besenreißer, Cellulite, Pickelchen. Vivienne1 berichtet von positiven Effekten für den ganzen Körper: „Migräne weg, Haut suuuper, Verdauung und und und prima.“ Beatnikrocks nennt Aloe sogar „Allheilmittel“.
Kosmetika, Joghurts, Kapseln, Säfte
Auch andere begeistern sich für Aloe. Sie findet sich in diversen Produkten, etwa Kosmetika, Joghurts, Kapseln, Säften. Äußerlich wie innerlich soll sie vielerlei bewirken, von der Hautpflege bis zur Krebsvorbeugung. Die Verheißungen stehen zwar selten auf der Ware, sie kursieren aber im Internet und in Ratgebern. Doch wird Aloe vera ihrem Ruf als Wunderpflanze gerecht?
Gutachter haben die Studien für uns gesichtet. Das Ergebnis ist durchwachsen. Positiv fällt die Bilanz nur bei einigen Anwendungen an der Haut aus. Ansonsten aber stößt Doktor Aloe an seine Grenzen.
[Update 8. Juli 2022] Kosmetik mit Aloe vera im Test
- Gehalte oft nicht zu erkennen.
- Viele Kosmetikprodukte werden damit beworben, dass sie Aloe vera enthalten. Verbraucherinnen hoffen etwa, dass die Pflanze Haut und Haar pflegt und Feuchtigkeit spendet. Wie viel Aloe vera in den entsprechenden Shampoos, Duschgelen, Seifen oder Cremes tatsächlich steckt, ist anhand der Inhaltsstofflisten aber oft nicht erkennbar.
- Nur gering dosiert.
- Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) aus Österreich hat die Anbieter von 25 Aloe-vera-haltigen Kosmetika befragt. Das ernüchternde Ergebnis: Oft ist die Konzentration so gering, dass keinerlei Wirkung erwartet werden kann. Einige Anbieter verweigerten die Auskunft zum Aloe-vera-Gehalt in ihren Produkten gänzlich.
- Meist getrocknet anstatt frisch.
- Hinzu kommt: Nur in relativ wenigen der untersuchten Produkte wird frisches oder konserviertes Gel verarbeitet. Wesentlich häufiger zum Einsatz kommt Pulver, das aus getrocknetem Gel hergestellt wurde, oder Aloe-vera-Konzentrat. Unklar ist, inwiefern von einer Wirksamkeit ausgegangen werden kann, wenn die Ausgangssubstanz derart verändert wird.
Natürlicher Wundkleber
Weltweit gibt es mehrere Hundert Aloe-Arten. In Kosmetik und Medizin kommt vor allem Aloe vera zum Einsatz, auch Aloe barbadensis oder Wüstenlilie genannt. Ursprünglich stammt sie wohl aus arabischen Ländern. Heute wird sie vielerorts auf Plantagen angebaut. Das klare Gel in ihren länglichen, seitlich mit Stacheln besetzten Blättern speichert enorm viel Wasser. So überlebt Aloe vera teils monatelang ohne Regen. Das Gel tritt zudem bei Verletzungen der Pflanze aus und verschließt sie wie ein natürlicher Wundkleber.
„Arzt im Blumentopf“
Diese Eigenschaften versuchen Menschen schon lange für sich zu nutzen. Bereits die altägyptischen Schönheiten Nofretete und Kleopatra sollen ihre Haut mit Aloe vera gepflegt haben. Der makedonische König Alexander der Große ließ damit angeblich verwundete Krieger verarzten. Selbst Amerika-Entdecker Columbus soll stets eine Pflanze an Bord gehabt und sie „Arzt im Blumentopf“ genannt haben.
Zwei Rohstoffe aus Aloe
Heute setzt die Schönheits- und Gesundheitsindustrie vor allem auf zwei Rohstoffe aus der Pflanze.
- Aloe-Latex, ein gelblicher Saft aus dem Bereich außen unter der Blattrinde, wird gegen Verstopfung eingesetzt. Er enthält spezielle natürliche Pflanzeninhaltsstoffe, die Anthrachinone. Sie können allerdings schaden; schonendere Mittel, beispielsweise Aloe vera-Abführmittel, sind vorzuziehen.
- Das Gel im Innern der Blätter gilt als gut verträglich – und ihm werden die vielen wundersamen Wirkungen zugesprochen. Es besteht zu etwa 99 Prozent aus Wasser. Den Rest machen diverse Zucker aus, aber auch Aminosäuren, Fette, Mineralien, Vitamine. Manche Forscher vermuten, dass die Stoffe im Gesamtverbund günstig wirken. Andere halten einen Zucker namens Acemannan für besonders bedeutsam.
Wunder-Effekte nicht belegt
Aloe-Gel lässt sich auf die Haut auftragen, aber auch schlucken. Die Zahl der Untersuchungen zu seinen Wirkungen ist groß. Meist handelt es sich um Zell- und Tierversuche. Klinische Studien, die unerlässlich sind, um den Nutzen beim Menschen zu beweisen, gibt es kaum. „Zudem umfassen sie oft nur wenige Teilnehmer und bergen methodische Schwächen“, sagt Judith Günther. Die promovierte Apothekerin ist mitverantwortlich für die Arzneimittelbewertungen der Stiftung Warentest sowie das aktuelle Aloe-Gutachten.
Kühlend und befeuchtend
Lediglich zur Wundheilung nach Verbrennungen sowie zur Linderung von Entzündungen im Mund gibt es demnach Hinweise auf einen Nutzen von Aloe-Gel. „Auch kühlende und befeuchtende Effekte, etwa in Kosmetika oder nach einem Sonnenbrand, scheinen schlüssig“, so Günther. Wenn es um die Behandlung von ernsthaften äußeren, aber auch inneren Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs geht, sei der Nutzen hingegen nicht ausreichend belegt.
Keine schweren Nebenwirkungen
Immerhin: Das Gel scheint – abgesehen von seltenen allergischen Reaktionen – keine schweren Nebenwirkungen zu verursachen. Das schrieben US-Toxikologen im Jahr 2016 in einer Übersichtsarbeit.
Keine klaren Qualitätsstandards
Anbieterangaben. Wer Aloe-vera-Artikel kauft, sollte auf die Angaben der Anbieter achten – ob sie beispielsweise Einnahmehinweise geben und den Herstellungsprozess erläutern. Vorzuziehen sind Produkte aus „reinem Blattgel“ oder „reinem Blattmark“. Extrakte aus dem ganzen Blatt – Englisch: „whole leaf extracts“ – können laut der US-Studie auch die möglicherweise schädlichen Anthrachinone enthalten.
Gesundheitsaussagen. Produkte mit Aloe-Gel zum Schlucken gelten hierzulande als Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel. Solange es die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa nicht explizit erlaubt, dürfen sie nicht mit gesundheitsbezogenen Aussagen beworben werden. Bei Kosmetika gelten weniger strenge Regeln.
Preise. Die Kosten für Aloe-Produkte schwanken stark. Reine Gele oder Säfte gibt es ab etwa 10 Euro je Liter.
Eigenherstellung. Manche Nutzer bauen die Pflanze selbst an. Um Gel zu gewinnen, ein Blatt abschneiden und eine Weile senkrecht stellen, damit zunächst der gelbe Saft mit den unerwünschten Anthrachinonen herausfließt. Dann die Rinde gut mit dem Messer abtrennen. Übrig bleibt recht festes Gel. Im Kühlschrank hält es einige Tage. Anwender können es zum Beispiel pur auf die Haut auftragen.
Auch ein innerer Einsatz, etwa in Smoothies, ist denkbar. Aber Vorsicht: Besonders bei der Eigenherstellung lässt sich nur schwer einschätzen, ob wirklich alle schädlichen Anthrachinone entfernt sind. Und ob selbst geerntet oder gekauft: Zugunsten von Aloe in Eigenregie sollte niemand seine ärztliche Therapie vernachlässigen.